"Stetind Südpfeiler, aber sonst viel Sonne" - Chronologie einer Nordlandfahrt

07.07. - 28.07.2002 (Stetind / Lofoten (Austvågøy) / Kebnekaise-Massiv)




Übersichtskarten aus Webster "Climbing in the magic Islands":     Übersicht Lofoten     Übersicht Austvågøy

10.07.2002

15:04 Fähre Skutvik - Svolvær Das Wetter ist inzwischen etwas regnerischer geworden, als wir das letzte kurze Stück von Svolvær nach Henningsvær auf Austvågøy zurücklegen. Wir überlegen kurz, in einer Pension direkt im Ort unterzukommen, um dort leichter an Kletterinfos zu kommen. Wir stellen jedoch schnell fest, daß uns so eine Pension nicht wirklich reizt. Ganz auf Klettererart suchen wir uns auf einer der vielen Halbinseln neben der Straße einen Zeltplatz für die nächsten Tage. Direkt unterhalb vom "Gandalfveggen" gibt es hier einige wilde Zeltplätze und auch für den Süßwasserbedarf ist gesorgt: Es gibt einen Wasserhahn an der oberflächlich verlegten Wasserleitung nach Henningsvær.

unser traumhafter Zeltplatz

Leider ist es etwas mühsam für jeden Abspannpunkt einen großen Stein hochzuschleppen, aber die Aussicht auf das Meer, die Inseln und die Berge ist grandios. Wir informieren per Handy Rainer & Cornelia, wo wir in den nächsten Tagen zu finden sein werden. Allmählich verlieren wir jedes Zeitgefühl, da es Tag und Nacht hell genug ist, um unterwegs zu sein.

11.07.2002

Blick auf den Presten von Nordosten

Wir steigen mittags in den Westpfeiler am Presten (11 SL, UIAA VII-) ein, machen aber nach 1 1/2 Seilängen einen Rückzug. Nach dem Südpfeiler war die Pause wohl für unsere Psyche doch zu kurz (oder die Rucksäcke zu schwer;-)). Es ist unglaublich heiß. Rainer & Cornelia treffen ein. Wir klettern abends am "Pianokrakken" eine leichte Tour: "Piano Dealer Lund's Route" (4 SL, UIAA V-)

Ausstieg von Piano Dealer Lund's Route

Die Sonne geht nicht unter: Nachdem sie zunächst kurz am Horizont hinter einem Berg verschwindet, taucht sie etwas später als Mitternachtssonne im Norden wieder auf.

Mitternachtssonne

12.07.2002

Es ist ein trüber regnerischer Tag. Zusammen mit Rainer & Cornelia fahren wir nach Kalle und schauen uns das Boulder-/Klettergebiet an. Wunderschöne Landschaft, leider liegen die Routen nicht immer dicht bei dicht, so daß man viel suchen muß. Direkt hinter dem Klettergebiet steigen die Felsen 1000 Meter aus dem Meer empor.

Blick vom Klettergebiet Paradiset rüber nach Henningsvær

Am Abend stößt Karin zu uns. Sie ist eine Kletterin aus Hannover, die jetzt auf den Vesterålen wohnt, das ist ca. 100 km Luftlinie entfernt. Obwohl sie eine relativ kurze Anfahrt zum Stetind hat, mußte sie in der Vergangenheit bereits dreimal wegen schlechtem Wetter am Wandfuß umkehren. Was haben wir bloß für ein Glück gehabt!

13.07.2002

Das Wetter hat sich wieder beruhigt, es ist sonnig. Wir klettern direkt beim Zeltplatz am Gandalfveggen mehrere Touren, "Gandalf" (4 SL, UIAA V+),

Axel steigt in die Tour Gandalf ein

"Guns N' Roses" (3 SL, UIAA VI).

Am Austieg der Tour Guns N' Roses sieht man unser Zelt nur als roten Punkt

Abends 20:00 steigen wir in die Klettertour "Bare Blåbær" (5 SL, UIAA V) am Pillaren ein. Der lange Zustieg am See entlang und dann z.T. unwegsam durch dichten Birkenurwald läßt uns mal wieder reichlich schwitzen.

Am Einstieg zu Bare Blabär     Axel steigt die erste Seillänge vor     Karin steigt nach     Cornelia & Karin auf dem bequemsten Standplatz der Tour

Abendstimmung am Einstieg     Axel am Einstieg

"Bare Blåbær" heißt wörtlich "nur Blaubeeren", meint aber im Norwegischen soviel wie "babyeierleicht". Das ist es vielleicht nicht gerade, aber superschön. Cornelia hat auf dem Rückweg um 4 Uhr nachts als einzige noch die Kraft und Muße die echten Blaubeeren zu genießen. Die Route ist übrigens etwas besonderes: man findet hier eine Abseilpiste mit Doppelbolts vor, so daß der Abstieg sehr einfach und schnell vonstatten geht, zumindest in der Theorie. Auf dem Rückweg kommen wir am frühen Morgen mal wieder am Presten vorbei.

Presten morgens um 4:00

14.07.2002

Ein weiterer herrlicher Tag: Wie geschaffen für die geplante Tagestour über die Südwand auf den Vågakallen (942 m). Aber zuerst wird erstmal schön gefrühstückt:

Frühstücksplatz am Meer

Ein toller Berg mit einigen ausgesetzten "Scramble"-Passagen und einer luftigen Reitpassage, die sich allerdings auf einer Reibungsplatte locker umgehen läßt, zumindest wenn es trocken ist.

links die Platten von Bare Blåbær, rechts der Paß auf dem Normalweg zum Vågakallen     Aufstieg zum Vågakallen     ausgesetzte Schlüsselstelle am Vågakallen

Die grandiose Aussicht oben auf dem Gipfel kommt angesichts der ausgesetzten Wegeführung zwar nicht überraschend, ist aber dennoch einfach nur atemberaubend. Man sieht die Lofoten, oder zumindest die Insel Austvågøy, aus der für uns doch ungewohnten Vogelperspektive. Am Horizont sieht man das Norwegische Festland, einen Moment lang versuchen wir tatsächlich, den Stetind zu suchen, und es kommen tatsächlich einige Gipfel in Frage.

Endlich am Ziel!

Panorama vom Gipfel des Vågakallen (West über Nord nach Osten)

Wie immer sind wir erst abends oben und sehen wie zwei Fähren der Hurtigruten praktisch unter unseren Füßen fast 1000 m tiefer ihre Wege kreuzen.

zwei Schiffe der Hurtigruten treffen sich vor Henningsvær

Ich denke noch, jetzt fehlt nur noch, daß sie sich mit dem Nebelhorn begrüßen und da passiert es auch schon. Das ist nun doch fast zuviel Kitsch auf einmal. Der Abstieg in der Abendsonne ist nochmal richtig anstrengend, erlaubt aber immer wieder tolle Ausblicke - was für ein schöner Tag!

Abstieg in einer staubigen Rinne     Die Südwand des Vågakallen fällt ab bis direkt zum Meer

15.07.2002

Svolværgeita

Fahrt nach Svolvær. Rainer führt Axel und mich auf die Svolværgeita über die "Vorderseite" (5 SL, UIAA VI-). Der Aufstieg ist steil und staubig. Wir nehmen nur das Nötigste mit. Die Suche nach dem Einstieg soll laut Webster einfach sein, wir schaffen es dennoch und laufen vorbei. Das beschert uns etliche zusätzliche Höhenmeter!

Rainer am Einstieg     Rainer an der Schlüsselstelle

Ich nutze die Gelegenheit und springe mit reichlich Schlappseil auf das zweite Horn, so wie es scheinbar üblich ist, wenn man der Werbung glauben mag;-)

Sprung über die Hörner der Svolværgeita

Rainer & Axel auf der Svolværgeita     Der Sprung war erfolgreich!

Der erste Teil des Urlaubs mit Felsklettern ist hiermit vorbei. Wir nehmen aus dem Urlaub mit, daß a) das Verhältnis von Normal- bzw. Bohrhaken zu Klettermetern in Nordnorwegen maximal 1:500 beträgt, jedoch meist einfach 0 ist, und b) die Differenzen zwischen norwegischer Schwierigkeitsskala und UIAA-System über die Schwierigkeiten schwanken und erst dann abzuschätzen sind, wenn man weiß, wie sich ein bestimmter "Norwegergrad" anfühlt.


Weiter geht es im schwedischen Fjäll